Die mittelpaläolithische Fundstelle Mutzig (Alsace, Bas-Rhin F)

Die mittelpaläolithische Fundstelle Mutzig «Rain» liegt im Elsass (Département Bas-Rhin, F) und wurde 1992 bei Umbauarbeiten zufällig entdeckt. Seit 2009 wird sie im Rahmen von systematischen Grabungskampagnen erforscht. Das interdisziplinäre Forschungsprojekt steht unter der Leitung der Archéologie Alsace, in enger Zusammenarbeit mit den Universitäten Basel (CH), Köln (D), Strasbourg (F), Lille (F) und dem Museum National d’Histoire Naturelle in Paris. Die Grabung dient auch als Lehr- und Ausbildungsgrabung für die Studierenden der verschiedenen Universitäten. Jeden Sommer nimmt auch eine Gruppe Studierender der Universität Basel teil und erhält in Mutzig einen vertieften Einblick in das Grabungshandwerk auf einer prähistorischen Grabung und die wissenschaftliche Feldarbeit.

Die Fundstelle lag ursprünglich unter einem Felsdach aus Buntsandstein, welches aber schon in prähistorischer Zeit teilweise eingestürzt und heute nicht mehr sichtbar ist. Insgesamt wurden zurzeit acht archäologische Schichten erfasst. Der natürliche Felsgrund wurde bisher nicht erreicht und deshalb ist die vertikale Ausdehnung der Fundschichten nicht bekannt. Das reiche Fundmaterial ist sehr gut erhalten und setzt sich vorwiegend aus Steinartefakten, Faunenresten, Mikrofauna und Holzkohlen zusammen. Mehrere gut erhaltene Feuerstellen konnten ebenfalls dokumentiert werden.

Alle Funde können dem Mittelpaläolithikum zugewiesen werden, die absoluten Datierungen (OSL, sowie ESR/U-TH) liegen alle in einem Zeitraum um 90‘000 Jahre vor heute und zeigen eine chronologische Stellung zu Beginn der letzten Eiszeit (Weichsel bzw. Würmkaltzeit).

In mehreren Begehungsphasen hinterliessen die Neandertaler die Überreste ihrer Jagdbeute. Knochen vom Mammut, dem Rentier, von Wildpferden aber auch von Wollnashörnern, Bären und Löwen zeugen von einer intensiven und hochentwickelten Jagd. Steinwerkzeuge wurden aus verschiedenen lokalen Steinvarietäten gefertigt und zeigen die typischen technologischen und typologischen Formen und Herstellungstecknicken des mittelpaläolithischen Mousteriéns

Eine ausgedehnte Flächengrabung und die Resultate der interdisziplinären Zusammenarbeit erlauben uns erste Einblicke in die Besiedelung der Fundstelle zur Zeit der Neandertaler. Neben der Analyse der Steingeräte und der Feuerstellen wird das Fund- und Probenmaterial auch von Spezialisten der Archäozoologie, Mikrofauna, der Geoarchäologie (Mikromorhologie, Sedimentologie und Petrogtraphie), Anthrokologie, Palynologie und der Isotopenanalyse bearbeitet.